Ein Rückblick auf 35 Jahre mit Bernhardinern und Notbernis
von Inge und Wolfgang Ketzler
Ein Leben mit Bernhardinern ist möglich, aber nicht wirklich optimal.
- Frei nach H. Rühmann -
Vor 35 Jahren entdeckten mein Mann und ich die Liebe zu den Bernhardinern. Wir starteten mit einer kleinen Hündin „Helvetia von den Aparten Höfen“. Sie prägte uns auf die Rasse, und als sie zur Gesellschaft während unserer Dienststunden eine Gefährtin bekommen sollte, wurde das ihre Tochter Anabelle von der Bedburger Schweiz. Aber damit begann keine große Züchterkarriere. Nur wenn wir einen Welpen behalten wollten, planten wir einen Wurf. Wen wundert es, wenn wir aufgrund dieser Idee in all den Jahren lediglich auf 6 Würfe kamen?
Von Anfang an waren wir bereit, „Scheidungswaisen“ aus eigener Zucht zurückzuholen. Den dafür benötigten Platz schufen wir durch den Kauf einer passenden Umgebung : ein Wohnhaus mit Halle und
großem Auslauf.
Schon während meiner Dienstzeit als Lehrerin fühlte ich immer die Neigung, besonders Kindern mit Lernproblemen und aus ungünstigen Verhältnissen zu helfen. Dies
zog sich als roter Faden auch durch meine Beziehung zu den Bernhardinern. Und so wurde ich als Nachfolgerin unserer Freundin Irmgard Schönleber, Gründerin des Vereins „Bernhardiner
in Not e.V.“ , Vorsitzende im Amt, was ich mit viel Hingabe ausfüllte.
Da wir nur selten eigene Zwingerkinder zurückholen mussten, fanden manchmal auch Notfälle aus der Vermittlung bei uns ein neues Zuhause. In der Regel lebten bei uns ein
bis zwei eigene Hunde und ein Notbernhardiner. Da die Rasse eine hohe Bindungsfähigkeit besitzt, trauerten die vierbeinigen „Adoptivkinder“ ihren Vorbesitzern nach, und sie benötigten zwischen
einigen Wochen bis zu mehreren Monaten, um sich bei uns daheim zu fühlen und sich in den Alltag in der Kleinmeute einzufügen. Unsere Bemühungen um sie sowie die Kontakte mit unseren eigenen Bernis
halfen ihnen dabei.
Ein besonders tragischer Fall war vor einigen Jahren „Henri“, den die Leser aus früheren Berichten im Mitteilungsheft kennen . Nachträglich stellte sich heraus, dass er
vermutlich in der Hundekampfszene als Trainingspartner für die Ausbildung von Pitbull und Co diente. Er wuchs allen hier im Haushalt besonders ans Herz und er schaut mich auch jetzt aus seinem
Foto neben meinem Computer an.
Alle Riesenrassen stellen auch körperliche Ansprüche an ihre Besitzer, und deshalb stellten wir Überlegungen an, dass wir mit zunehmendem Alter keine neuen Bernhardiner mehr aufnehmen wollten. Das
würde wohl in naher Zukunft sein. Denn wenn der alte Notberni Quando sterben würde, wäre da nur noch unsere Pola.
Doch wie wir es in unseren „Hundejahren“ oft erlebten, kam es wieder einmal anders:
Quando verstarb plötzlich, und Pola konnte sich mit der Einsamkeit nicht abfinden. Selbst unsere kleine Bulldogge Miss Sophie, mein Berni-Ersatz für die Rentnerzeit: bernhardinerfarben und mit
Lefzen, konnte sie nicht trösten. Da erhielten wir einen Anruf ,dass eine Hündin ihr Zuhause bei einer Rollstuhlfahrerin verloren hatte. Übergangsweise wollten wir sie aufnehmen, mit der
Option, sie weiterzuvermitteln, wenn sie zur Ruhe gekommen sein würde. Es dauerte vier Monate, bis die Weichen einigermaßen gestellt waren. Danach entschied ich mich, dass sie nicht noch eine
Trennung durchleben müsse und wir behielten sie. Zwei Bernies und eine Bulldogge sind genug für einen Rentnerhaushalt- davon waren wir überzeugt.
Dann kam die Nachricht, dass Freunde , die seit 50 Jahren Bernhardiner hielten, ihren Gutshof auflösen wollten . Sie hielten zuletzt drei Bernhardiner, wovon die beiden
älteren kurz hintereinander starben. Die Jüngste, eine Schwester unserer Pola, litt fürchterlich unter der Einsamkeit. Der Hof stand kurz vor dem Verkauf und in der neuen Umgebung würde sie keinen
Hundegefährten bekommen.
Wir kannten die liebenswerte Hündin gut und sie tat uns sehr leid.Außerdem stellten wir über die Jahre bei Besuchen fest, dass sie unwahrscheinliche
Verhaltensähnlichkeiten mit unserer Pola zeigte. Folgerichtig boten wir an, sie versuchsweise bei uns aufzunehmen. Wenn es klappen sollte, dürfte sie für die restliche Lebenszeit bleiben.
Die Besitzer schoben den Übergabetermin so weit wie möglich auf. Kurz vor Weihnachten traf sie hier ein, und es war wie ein kleines Wunder, wir hätten es nicht für
möglich gehalten: „Karo“ betrat ohne zu zögern unseren Hof, ihre Schwester Pola erwartete sie , und obwohl sie sich seit ihrer Ankunft aus Polen vor fast sieben Jahren nicht mehr gesehen
hatten, erkundeten sie sofort Seite an Seite unser Gelände und schliefen sogar schon in der ersten Nacht zusammen. Seitdem sind sie ein Team. Und an Heilig Abend feierten sie zusammen ihren siebten
Geburtstag.
Und somit leben wir nun glücklich in einer Situation, die wir uns früher nicht vorstellen konnten:
Rentnerpaar mit drei Bernhardinern ... und einer Bulldogge.
(Das sollen aber wirklich die Letzten sein!)
Inge und Wolfgang Ketzler
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